Für eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien in Ihrer Region ist es wichtig, die technischen Möglichkeiten zu finden, die sowohl gesellschaftlich und kulturell als auch technisch und ökonomisch am besten für Ihre Region geeignet sind. Da die Potenziale einzelner Anlagen stark vom Standort abhängen, ist es notwendig, sich neben der Ist-Situation zusätzlich jeweils die Einsatzpotentiale vor Ort anzuschauen. Aus ihnen kann ein Mix an Technologien in Form von Szenarien zusammengestellt werden. Mit dem Szenarien-Tool können diese definiert und ihre Auswirkungen auf wichtige Indikatoren berechnet werden. Die Ergebnisse können Sie vor Ort mit allen Akteuren diskutieren, etwa politischen Entscheidern, Interessenvertretern oder der interessierten Bevölkerung. Daraus können Sie Ziele und Pläne für den technischen Ausbau in Ihrer Region erarbeiten. Um Energieszenarien zu entwickeln sind mehrere Schritte erforderlich, die wir im Folgenden darstellen.
Wie sieht die Energie- und Versorgungsstruktur heute aus?
Als Ausgangspunkt für zukünftige Ausbauplanungen benötigen Sie zunächst eine Erfassung des aktuellen Standes der Energieversorgung in Ihrer Region. Diese erfolgt in Form einer Energie- und Treibhausgas-Bilanz, wie sie üblicherweise in Klimaschutzkonzepten erstellt wird. Dazu muss zunächst der Betrachtungsraum definiert werden, um darauf aufbauend die entsprechenden Daten zu ermitteln. Zu den zentralen Daten gehören:
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die Energieverbräuche (aufgeteilt nach Energieträgern und Verbrauchergruppen),
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die Infrastruktur der Energieversorgung (Strom-, Gas- und Fernwärmenetze) und
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die Strom- und Wärmeerzeugungsanlagen (aufgeteilt nach genutzten Energieträgern).
Es gibt zurzeit keine einheitlich abgestimmte Methodik zur Erstellung dieser Bilanzen, jedoch kann auf Erfahrungswerte unterschiedlicher Institutionen zurückgegriffen werden. Vergleichen Sie hierzu den Leitfaden Technik, Kapitel 9. Für das Anwendungsbeispiel Landkreis Ahrweiler wurde für die Erfassung der IST-Situation eine Territorialbilanz erstellt sowie der Energieverbrauch in Form von Endenergie berücksichtigt.
Wie viel von welcher Technologie kann maximal genutzt werden?
Die Erfassung der Potenziale meint letztlich die Erhebung, von welcher Technologie wie viele Anlagen maximal in Ihrer Region zusätzlich errichtet werden können. Dabei wird für jede Technologie – z. B. Windkraft, Freiflächen-Photovoltaik, Hackschnitzel-Kessel, Blockheizkraftwerk – abgeschätzt und berechnet, wie viele kWh Strom oder Wärme pro Jahr erzeugt werden können. Ebenso wird abgeschätzt, wieviel kWh Strom- bzw. Wärmenachfrage mit einer bestimmten Effizienzmaßnahme eingespart werden kann.
Grundsätzlich kann im Zuge der Potenzialbestimmung bei jeder Technologie zwischen strengen Restriktionen und frei wählbaren Restriktionen unterschieden werden. Strenge Restriktionen basieren auf aktuell geltenden rechtlichen Regelungen und müssen für eine seriöse Bestimmung der absoluten Obergrenze des möglichen Zubaus angewendet werden. Dadurch werden bspw. eine Flächenerschließung oder ein Anlagenbau auf nicht zulässigen Flächen grundsätzlich verhindert. Frei wählbare Restriktionen spiegeln gestaltbare Restriktionen wider und sind in der späteren Szenarienzusammenstellung optional anwendbar, d. h. es kann anhand der Strategien und Ziele des jeweiligen Szenarios entschieden werden, ob sie berücksichtigt werden sollen oder nicht.
Welche Strategie und konkreten Ziele sollen verfolgt werden?
Die Verwendung von Szenarien – anstelle eines einzelnen vordefinierten Ausbauplans für zukünftige Strom- und Wärmeerzeugungs-Anlagen bzw. eines Umsetzungsplans für zukünftige Effizienzmaßnahmen – ermöglicht es, verschiedene Ausbau- bzw. Umsetzungs-Varianten durchzuspielen und auf ihre Auswirkungen hin zu bewerten, bevor eine Entscheidung über bevorzugte Ausbau-/Umsetzungspfade getroffen wird. Für jedes Szenario ist daher zunächst festzulegen, welche Ziele verfolgt und mit welcher Strategie sie erreicht werden sollen. Diese gewählten Ziele und Strategien werden anschließend berücksichtigt, wenn es um die Zusammenstellung des jeweiligen Technologieportfolios, also den Mix an unterschiedlichen dezentralen Erzeugungsanlagen und Effizienzmaßnahmen, geht. Wenn ein Szenario beispielsweise vorsieht, dass bevorzugt die regionale Wertschöpfung maximiert werden soll, dann werden bevorzugt diejenigen Erzeugungstechnologien ausgebaut bzw. Effizienzmaßnahmen ausgewählt, welche zu einer hohen regionalen Wertschöpfung führen. In einem anderen Szenario mit anderem Ziel werden dagegen vielleicht diejenigen Technologien und Maßnahmen ausgewählt, die mit einem möglichst geringen Flächenverbrauch einhergehen. Teilweise können mehrere Ziele gleichzeitig angestrebt werden, teilweise geht die Verbesserung in einem Ziel aber mit einer gleichzeitigen Verschlechterung eines anderen Ziels einher.
Wieviel von welcher Technologie soll genutzt werden?
Nach Durchlaufen der zuvor dargestellten Stationen 1 bis 3 stehen alle Informationen zur Verfügung, die zur Erstellung der szenariospezifischen Technologieportfolien benötigt werden. Es gilt nun, die Entscheidung zu treffen, wieviel des Maximalpotenzials der einzelnen Technologien in jedem Szenario genutzt werden soll. Dies erfolgt unter Berücksichtigung der Ziele, die für das jeweilige Szenario festgelegt wurden. Außerdem müssen zu diesem Zeitpunkt die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Technologien in die Entscheidung einbezogen werden.
Die Wechselwirkungen sind derart komplex und unüberschaubar, dass eine Zusammenstellung des Technologieportfolios ohne softwarebasierte Planungshilfsmittel nicht zu empfehlen ist. Für diesen Zweck stellt das Szenarien-Tool ein statisches Simulationsmodell („BiBER“) bereit, welches Ihnen die Rechenarbeit abnimmt. Dieses Instrument wurde zusammen mit einem multikriteriellen Optimierungsmodell („MOPS“) im Rahmen des EnAHRgie-Projekts für das Anwendungsbeispiel des Landkreises Ahrweiler entwickelt.
Welche Auswirkung hat das ausgewählte Technologieportfolio auf die festgelegten Ziele?
Um die Auswirkungen von Szenarien miteinander vergleichen zu können, werden Bewertungsindikatoren benötigt. Dabei können unter dem Oberbegriff der Nachhaltigkeit folgende drei Zielkategorien unterschieden werden:
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Ökologische Ziele
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Ökonomische Ziele
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Soziale Ziele
Für jede Zielkategorie gibt es – ergänzend zu den zuvor bereits festgelegten Ziel-Indikatoren (vgl. Abschnitt „Welche Ziele kann es geben?“ im Slider zu „Szenarien erstellen“) – eine Vielzahl an möglichen Bewertungsindikatoren, die für jedes Szenario ermittelt werden können.
Wie können Energieszenarien vor Ort erfolgreich abgestimmt werden?
Welche Ziele sollen mit den Energieszenarien verfolgt werden? Welches Technologieportfolio hat welche Auswirkungen für die Region? Welche Energieprojekte erzeugen die größte Wertschöpfung? Das sind zentrale Fragen, die im Rahmen von Beteiligungsveranstaltungen mit den Bürgerinnen und Bürgern angegangen werden sollten. Denn wenn es um die Zukunft der Region geht, sollten die Menschen der Region mitreden können.
Wollen Sie mehr darüber erfahren, wie diese Schritte im Anwendungsbeispiel des Landkreises Ahrweiler im EnAHRgie-Projekt umgesetzt worden sind? Dann können Sie sich die Szenarien, Technologieportfolien und die Bewertungsindikatoren für Ahrweiler anschauen im Energiekonzept, Kapitel 2.